Akt 2
Viel Gepäck hatte Jadek nicht mit: lediglich ein kleiner Rucksack mit Wertsachen und sein Armeeschwert, dass ihm an seinem Abschluss verliehen worden war. Für besondere Tapferkeit und Heldenmut und so was. Auf dem Campusgelände tummelten sich viele Leute herum, sogar ein paar Kleinwagen fuhren durch die Gegend. Es wuchsen kleine Bäume auf dem Platz, futuristische Heckenscherenmeisterleistung. Ein überwucherter Campus ist schlecht für das Image. Und so sahen die Baumkronen wie Pyramiden, Kugeln und andere Geometrische Formen aus. Jadek ließ sich Zeit das Ganze zu bewundern. Als er schließlich genug hatte, trat er durch das Tor des OLYMPs und fragte gleich bei der Rezeption nach wo man seine Bewerbung abgeben konnte. Ein kleiner Ta-Matoraner saß hinter der Glasscheibe. „Einen Moment“ sagte er nur, und drückte daraufhin einen Knopf auf seiner Computertastatur. Plötzlich öffnete sich ein rundes Loch an der Unterseite des Rezeptionstisches und ein Bohrok rollte heraus. Er transformierte sich sogleich in ein kleines matoranerähnliches Wesen und gab ein metallisches „Wenn Sie mir bitte folgen würden?“ von sich. Dann wurde er wieder zur Kugel und rollte davon. Und Jadek folgte ihm. Der Roboter rollte in einen Fahrstuhl und bat Jadek den Knopf Nummer 204 zu drücken.
Nach acht Sekunden waren sie im 204en Stockwerk angelangt. Der Bohrok rollte weiter, einen langen Flur entlang. Dieser führte schließlich zu einer Tür. Eine große, schön verzierte Eichentür. Links von der Tür stand eine Bank auf der mehrere, nervöse Toa und Matoraner saßen. Die Warteschlange. Jadek setzte sich neben einen riesenhaften breitschultrigen Stein-Toa der kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, auch wenn er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Der Bohrok verabschiedete sich und rollte in ein Loch an der Wand, wo ein Mechanismus in erfasste und zurück zur Rezeption schickte. Alle schwiegen. Nach der Zeit, leuchtete ein kleines Lämpchen, das über der Tür hing. Dass bedeutete Wechsel.
Ein schluchzender Erd-Toa trat aus der Tür heraus und ging leise weinend den Flur entlang zum Fahrstuhl. Er hat es nicht geschafft. Der Stein-Toa neben Jadek wurde immer blasser. Als nächstens war der Matoraner neben dem Stein-Toa dran. Er schaute die anderen Wartenden kurz an und ging dann zitternd hinein. Ab und zu kamen weitere Bewerber mit einer Bohrok-Begleitung an und saßen sich zu den anderen auf die Bank. Jadek verhielt sich die ganze Zeit lang ruhig und ziemlich gelassen, während der riesige Toa neben ihm immer mehr zitterte. Schließlich hielt er, Jadeks Ruhe nicht aus und fragte ihn: „ Wie kannst du nur so ruhig bleiben, wenn du gerade vor der Frage deines Lebens stehst?“ Seine Stimme klang wie ein Donner, man fragte sich wie so etwas Riesiges und starkes, sich überhaupt um irgendetwas Sorgen machen konnte. Jadek antwortete genauso gelassen wie zuvor. „ Es ist kein Wunder das hier alle rausfliegen, die den Tränen nahe sind. So welche braucht der Orden nicht. Glaub mir ich mache mir genauso große Sorgen wie du und die anderen, doch ich darf es mir nicht anmerken lassen, so einfach“ Doch selbst wollte er den Platz im Orden mehr als alles andere auf der Welt, und könnte vor Angst und Sorgen platzen, dass wusste er. „Nun, wenn du so daherredest, klingt es natürlich unglaublich einfach, aber das ist es nicht. Gar nicht. Außerdem stehe ich den Tränen gar nicht nahe.“ murmelte der Stein-Toa.
Die Lampe blinkte. Der Stein-Toa stand auf, holte tief Luft und trat ein. Ein enttäuschter Matoraner ging an ihm vorbei. Nach zehn Minuten blinkte die Lampe erneut. Man hörte hinter der Tür ein schreien, dass eine Naturkatastrophe hervorrufen könnte, die Tür brach beinahe aus den Angeln und der riesenhafte Stein-Toa platzte heraus. Sein Gesichtsausdruck war mehr als beunruhigend. Er trampelte einen Bohrok fast nieder und grummelte nur, er wisse wo der Ausgang sei. Dann stampfte er den Flur hinaus. Nun war Jadek an der Reihe. Er stieß einen leichten Seufzer aus, dann stand er auf und blieb an der Tür stehen. Er wusste zwar nicht ganz genau, was ihn dahinter erwartete, doch auch wenn es nur halb so schlimm war wie er es sich vorstellte, kam ihm die Vorstellung Artakha persönlich zu sehen, wie ein Alptraum vor.
Es gibt keine Foto- oder Videoaufnahmen von ihm, nicht einmal Gemälde. Und so wusste auch niemand genau wie er aussah, denn er zeigte sich auch nie in der Öffentlichkeit. Selbstverständlich wurden deshalb auch haufenweise Gerüchte, über sein Aussehen, in die Welt gesetzt. Verträumte, jugendliche Matoranerrinnen seien der Meinung, er sei ein gutaussehender, junger Toa der sich gern um das Wohlergehen anderer sorgte und Matoraner vor Gefahren und ähnlichem rettete. Das war wohl eher unwahrscheinlich, da man ihn erstens nirgendwo bei seinen Rettungen beobachten konnte und er zweitens bereits (und das war bewiesen) vierundsiebzig Jahre alt war. Da war von Jugend gar nicht die Rede. Manche meinten, er sei ein Makuta oder ein anderes höheres Wesen. Andere wiederrum behaupteten „er“ sei eine „sie“. Und die ganzen Verschwörungstheoretiker meinten gar, er sei ein Außerirdischer von einem anderen Planeten, der gekommen war um den Bewohnern dieser Welt erst einen Spitzenjob im Orden zu versprechen und sie dann zu fressen. Dabei saugte er ihnen das Gehirn mit seinen ekligen stinkenden Tentakeln aus. Um das letztere machte sich Jadek besonders große Sorgen, auch wenn er nicht wirklich an so etwas glaubte. Er wollte ganz bestimmt nicht gefressen werden. Jetzt wünschte er sich schon beinahe, dass er es in den Orden nicht schafft. Doch dann schüttelte er den Kopf und verwarf diesen Wunsch ganz schnell. Er würde nach dieser langen Reise bestimmt nicht den Schwanz einziehen.
Seine Hand fasste die Türklinke und drückte sie runter. Als er im Zimmer war machte er erst die Tür hinter sich zu bevor er sich umsah: Im Raum stand nichts weiter als ein Designerstuhl und ein Tisch mit einem Zettel drauf. Der Boden war mit einem grauen Teppich belegt. Die Wand an der anderen Seite des Raumes war ein großes Fenster, aus dem man wunderbar den Tumult auf dem Erdboden beobachten konnte. Von hier oben sah der Campus aus wie ein Ameisenhaufen und dutzende kleiner Toa-Insekten tummelten sich darin herum. Von ganz oben sah man auch, dass die vielen grünen Bäumchen auf dem Campus das Symbol der drei Tugenden bildeten. Im Großen und Ganzen hatte Jadek es sich genau so vorgestellt. Doch etwas fehlte. Artakha war nicht da. Natürlich. Jadek verstand. Ein großer Herrscher wie Artakha hatte keine Zeit für so etwas Unbedeutendes wie seine Rekruten, von denen er sowie so fast alle rausschmiss. Tja, irgendwie war Jadek doch ein wenig frustriert. Aber er hatte so etwas ja bereits erahnt.
Er setzte sich auf den Stuhl und sah sich den dreiseitigen Fragebogen an. Es war eine Art Steckbrief von sich selbst, in dem man Name, Alter, Geschlecht, Erfolge und andere kleine Lebensdetails angeben sollte. Jadek füllte alles aus und überprüfte dabei gleichzeitig auch ob seine Angaben auch richtig waren. Lügen bringt nichts, die Angaben werden streng überprüft. An dieser Stelle war es noch wichtig zu erwähnen wofür sich Jadek überhaupt bewarb. Jadek war, Elementarakademiker und diente einige Jahre der Armee, weshalb er für den militärischen Bereich am passendsten war. Die Aufgabe des Ordens bestand hauptsächlich darin Gutes zu tun. Das tat er, indem er Schlechtes vertrieb. Der Leiter des Unternehmens, Artakha, ging gegen alles vor was den Matoranern und Toa in jeder Hinsicht schadete. Er schickte seine Leute dorthin, wo Gewalt, Drogenkriminalität und Krankheiten herrschten. Da so viel Grauen auf der Welt herrschte, brauchte der Orden alle Arten von Hilfe. Unter den Mitgliedern waren nicht nur hunderte Krieger und Soldaten, es arbeiteten dort auch zahlreiche Ärzte und Sanitäter. Die Offices waren gigantisch und jeder einzelner Arbeiter trug was zum Weltfrieden bei, jede Sekunde. Einer der größten Feinde des Ordens war die „Bruderschaft der Makuta“, ein Unternehmen, das allein durch die Produktion von gefährlichen Chemiewaffen reich geworden war. Doch das war nicht das Problem: Die Bruderschaft bestand hauptsächlich aus Korruption. Jede einzelne verkaufte Waffe, gelangte in die falschen Hände. Der Orden konnte etwas dergleichen nicht zulassen und ging mit allen Mitteln dagegen vor, bislang erfolglos. Seit langem schon, führten beide Seiten einen erbitterten kalten Krieg. Jadek könnte nun Bestandteil dieses Krieges sein, könnte Gutes tun, sein Leben lang und würde dafür einen Spitzenlohn verdienen. Alles was nötig war, war seine Qualifikation. Das würde schwierig sein, die zu kriegen.
Als Jadek fertig war, klopfte er mit den Blättern auf den Tisch, um alles schön ordentlich zu machen und sah sich nach einer Möglichkeit um den Fragebogen abzugeben. Einen Augenblick später entdeckte er einen Schlitz, der am Tisch angebracht war. Auf dem Schlitz zeigte ein schwarzer Pfeil, der auf dem Tisch aufgemalt war. Der Eis-Toa schob die Blätter in den Schlitz und eine Sekunde später war ein Summen zu hören. Die Angaben wurden gescannt und überprüft. Einige Augenblicke später leuchtete ein, ebenfalls am Tisch angebrachtes, Lämpchen auf. Jadek kniff sich in den Finger. Ein kalter Schauer lief im über den Rücken. Grün. Das Lämpchen leuchtete Grün. Mehr nicht. Keine Glückwünsche. Nichts. Nur ein grün leuchtendes Lämpchen. Das war der wunderschönste Augenblick in seinem Leben.
Jadek unterdrückte einen Jubelschrei. Er hatte bestanden. Er war nun ein Mitglied in der angesehensten und erfolgreichsten Organisation der Welt. Er wunderte sich selbst, was für Gefühle so ein Aufleuchten einer Lampe bewirken konnte. ‚Bing‘ hörte er plötzlich. Seine Zeit war um, jetzt war der nächste dran. Stolz trat er durch die Tür rief den Wartenden zu er habe bestanden. Anerkennendes Händeklatschen. Beglückwünschende, lächelnde Gesichter. Jadek lächelte zurück und wünschte Glück, dann ließ er sich von einem Bohrok durch den Korridor führen. Keiner der damaligen Bewerber hatte es an dem Tag mehr geschafft.
Der Bohrok führte Jadek wieder in den Aufzug. „247, bitte.“ sprach der Roboter. Jadek drückte den besagten Knopf. Im 247sten Stock angelangt, rollte der Bohrok weiter bis sie bei einem Flur angelangt waren, in dem sich ziemlich viele Ordensmitglieder tummelten. Der Wohnbereich. Der Bohrok rollte weiter, auf dem roten Teppichboden entlang, bis er bei einer Tür anhielt, auf der die Nummer 4352 aufgemalt war. „Ihr Zimmer, Toa Jadek. Machen sie es sich gemütlich“ dröhnte es aus der Metallkugel. Der Bohrok transformierte sich in seine Lauf-Form und eine kleine weiße Karte fuhr aus seinem Mund aus. „Ihr Zimmerschlüssel“ sprach der Bohrok. „Im Falle eines Verlustes, unten bei der Auskunft melden.“ Jadek zog die Karte heraus und bedankte sich. Daraufhin rollte der Roboter weg. Jadek schob die Karte in den Türschlitz und Schloss öffnete sich. Als er eintrat sah er eine hübsche Ein-Zimmer Wohnung. Das Badezimmer blitzblankpoliert, versteht sich. Der Toa ging etwas in dem Zimmer herum, während seine Füße in dem grauen Teppichboden, kleine Eindrücke hinterließen. Im Wohnzimmer Stand ein futuristisch designter Tisch, mit passendem Hocker. Der Ess- und Schreibtisch. Gleich daneben, ein weißer Kleiderschrank, auf dessen Türen klebten Spiegel. Auf der Gegenüberliegenden Seite, stand das kleine Bett, in der Ecke. In der anderen Ecke, ein Kühlschrank und dazwischen, eine Kommode. Klein, aber fein, dachte Jadek. Er packte seinen Rucksack auf dem Bett aus. Das Bild seiner Eltern und seiner Schwester, stellte er gleich auf die Kommode. Sein Schwert stellte er in den Kleiderschrank (zusammen mit der Kleidung, versteht sich) und den anderen Krimskrams, wie seinen iPod, sein Handy oder das Kreuzwordrätsel, dass er während der Fahrt lösen wollte, aber nicht geschafft hat, legte er in die Schubladenkommode. Seinen Rucksack schob er unter das Bett. Nun war alles fertig. Er sah sich um.
Hier würde er Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte lang wohnen. Jadek seufzte. Er war müde geworden, nach acht Stunden im blauem Wunder, ohne Klimaanlage, bei 28 C°. Er legte sich aufs Bett und ruhte sich aus. Nach etwa 30 Sekunden klopfte jemand an der Tür. „Herein.“ knurrte Jadek, noch im halbwachen Zustand. „Ähm, Alter? Die Tür, die ist doch von außen nur mit Schlüssel zugänglich.“ rief von außen die gedämpfte Stimme. Oh, Mann, dachte Jadek. Wer spricht einen unbekannten den bitteschön mit ‚Alter‘ an? Muss sicher so ein Idiot sein. Er stand auf um dem Fremden die Tür zu öffnen. An der Tür stand ein Feuer-Toa mit einem etwas dämlichen Ausdruck im Gesicht. „Hey, Mann, ich wollte dich ja wirklich nicht stören oder so, aber…“ der Unbekannte Feuer-Toa machte eine lange Pause, um es spannend zu machen und Jadek ahnte schon etwas Grauenvolles. „… ich bin dein neuer Zimmernachbar!“ rief der Feuer-Toa, mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er Jadek mit dieser Nachricht einen Gefallen getan. „Oh, toll. Ähm, wie heißen Sie denn?“ fragte Jadek. Er wollte auf keinen Fall auf denselben Wortschatz, wie sein neuer Nachbar, zurückfallen, weswegen er versuchte möglichst höfflich zu bleiben. „Is schon ok, kannst ruhig duzen. Ich bin Niu und wie gesagt, wohne ich genau neben dir. Zimmer 4351.“ sagte Niu und Jadek lächelte verunsichert. „Okay, also dann, Niu, bis später.“ raunte Jadek, lächelte Niu an und schlug die Tür vor ihm zu. Endlich Ruhe, dachte Jadek und legte sich in sein Bett. Der nächste Tag würde hart werden, das wusste er.
Tja, Bohrok sind also keine zerstörungswütigen Terminatoren, sondern lediglich Arbeitsroboter

p.s nicht traurig sein, Pahrak. xD